Navigation

Springe direkt zu

- -

A- A A+

Inhaltsbereich

Das Schöne und das Hässliche

Eine vermeintliche Idylle: Hinter dem Zaun des Gestapo-Lagers an der Neuen Bremm gab es Tausende von Willküropfern.

| off | 3.11.10 | Auf den ersten Blick haben wir es hier mit einer sehr angenehmen Situation zu tun. Eine sommerliche Wiese im Saarland, eine zufriedene junge Mutter, ein Mädchen, das rittlings auf ihrem Rücken die Zuwendung auskostet. Auch der kleine Hund scheint entspannt, wenngleich ihn in der Ferne etwas Besonderes zu interessieren scheint. Wo ist der Vater? Könnte sein, dass er die Kamera hält, vom Spazierweg aus. Aber sicher ist das nicht. Könnte auch sein, dass er am unteren Dnjepr den Kopf hinhält für die Mörder. Mag auch sein, dass der Terrier einen leisen Schrei hört. Hinter dem Zaun liegt eine Welt mit anderen Gesetzen. Es wird dort oft geschrien. Der locus amoenus und der locus terribilis greifen grausam ineinander.
Wo wurde dieses Foto aufgenommen, welche Botschaft hat es? Das war die Frage, die von der Landeszentrale für politische Bildung aufgeworfen wurde. Dahinter steht das Projekt „Nicht wegschauen“.
Der Schleier ist nun gelüftet: Im Rahmen der Buchvorstellung „Entgrenzung der Gewalt“ (Schöningh Verlag), bei der es um die Dissertation von Dr. Elisabeth Thalhofer ging, wurden von der Landeszentrale auch die Gewinner des Bilder-Rätsels ermittelt. Über 360 Einsendungen gab es, weit über das Saarland hinaus. Knapp hundert Gäste waren dabei, als das Los über die 40 Buch- und CD-Preise entschied. 
„Bilder sind stumme Erzähler“ lautete der Titel der Ausschreibung. Das Erinnerungsfoto stammt aus dem Jahr 1943, die Mutter mit Kind und Hund hat es sich im Gras vor dem Saarbrücker Gestapo-Lager Neue Bremm (1943-1944) gemütlich gemacht. Man muss sich vergegenwärtigen: Es führte ein beliebter Spazierweg unmittelbar am Lagerzaun entlang. „Nicht wegschauen!“ - so lautete der Appell der Landeszentrale für politische Bildung als Initiatorin der Aktion.
Viele Einsender hatten das Motiv nicht richtig gedeutet, manche dachten an die Berliner Mauer. Das grausame Gestapo-Lager, für das es seit vielen Jahren an der Metzer Straße eine gelungene Gedenkstätte gibt, ist ins saarländische Bewusstsein noch nicht recht eingedrungen.
Die Landeszentrale kündigte an, die Aktion mit einer Postkartenserie fortzusetzen. Die Öffentlichkeit soll daran erinnert werden, wie wichtig Hinsehen statt Wegschauen und Verdrängen für eine funktionierende Demokratie doch sei.


Rechter Inhaltsbereich