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Chefs-d'oeuvre? Buntes Heerlager?

Was will uns der Meister sagen?
Manche nennen den Neubau "Schlumpfhaus". Fotos: KF

| 18.10.10 | Im Mai, als in Metz das Centre Pompidou seiner Bestimmung übergeben wurde, sagte dessen Kurator Laurent Le Bon ins Mikrofon von France 3, er wünsche sich 200.000 Besucher für das erste Jahr. Sechs Monate später ist die halbe Million bereits überschritten, und die sehenswerte Eröffnungsausstellung „Chefs-d’oeuvre?“ verlängert bis 17. Januar.

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Was ist ein Meisterwerk? Antworten auf diese simple Frage fallen gerne kompliziert und zirkulär aus. Ein Meisterwerk ist, was von wichtigen Leuten als solches gesehen wird. Sie kaufen es, und spätestens jetzt wird es auch für diejenigen zum Meisterwerk, die es vorher nicht kannten oder schätzten. Oder aber die wichtigen Leute kaufen es, weil viele es bereits als Meisterwerk sehen und man mit dem Erwerb auch einer Marketingidee folgen kann.

Mit dieser Offenheit des Begriffs und der Wertungen spielt die Ausstellung, die rund 800 ganz unterschiedliche Werke ohne wesentliche Kategorisierung nebeneinander stellt. Es sind Arbeiten großer Künstler des 20. Jahrhunderts, und sie entstammen fast alle der unerschöpflichen Sammlung des Pariser Mutterhauses, des Museums für moderne Kunst. Einige gehören anderen Häusern, einige wurden extra für das neue Centre Pompidou in Auftrag gegeben. Die Unbefangenheit, mit der Balzacs perlenbesetzter Spazierstock neben Picassos „Le peintre et son modèle“ steht, und die Zufälligkeit, mit der zum Beispiel Rodin und Hans Arp sich den Flur teilen, erzeugen eine voltreiche Spannung. Wiewohl das bunte Heerlager auf vier Etagen auch verwirren kann und bei einigen Exponaten das Fragezeichen des Ausstellungstitels sicher nie zu einem Ausrufezeichen werden wird. „Der Künstler kann von den Dächern rufen, dass er genial ist, und doch muss er warten, bis der Betrachter sein Urteil fällt, damit seine Aussagen eine gesellschaftliche Relevanz bekommen und die Nachwelt ihn in den Kunstbüchern zitiert.“ (Marcel Duchamp, 1957) - Malerei, Graphik, Design, Bildhauerei, Installationen, Fotografie, Film, Architektur – das ist eine Breitbandpräsentation, für die einen ganzen Tag braucht, wer alles aufnehmen will.

Ob nun der vom japanischen Architekten Shigeru Ban entworfene und gemeinsam mit dem Franzosen Jean de Gastines realisierte Museumsneubau am Platz der Menschenrechte selbst ein Meisterwerk mit Fragezeichen sei, darüber sind schon viele Worte gewechselt worden. Tatsache ist, dass der originelle Zuschnitt mit überdimensionalen Guckkästen verblüffende An- und Aussichten liefert. Zum Beispiel hinaus auf den gravitätischen Stephansdom, seinerseit ein chef-d’oeuvre der eher unbestrittenen Art, weil dafür in vielen Jahrhunderten viele Meister am Werk waren und ihr Letztes gegeben haben. | Wolfgang Kerkhoff |

 


Weit über den Metzer Bahnhof hinweg reicht der Blick bis zur Kathedrale Saint Etienne, deren Südturm übrigens nur unwesentlich höher ist als die Dachspitze des Centre Pompidou Metz mit 77 Metern.

Vue de la galerie 3 - Centre Pompidou-Metz, mars 2010 © Shigeru Ban Architects Europe et Jean de Gastines Architectes, avec Philip Gumuchdjian Architects pour la conception du projet lauréat du concours / Metz Métropole / Centre Pompidou-Metz / Photo Roland Halbe


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