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Der Frustpavillon

"Ein Klotz", sagen vorn die Passanten.
Und das Saarland-Museum duckt sich ängstlich dahinter. (c) WolkeScript

| LB | 24.6.11 | Wer sich im Barock etwas Gutes tun wollte und das nötige Kleingeld hatte, der stellte sich einen Lustpavillon in den Garten. In Saarbrücken entsteht gerade der erste Frustpavillon. Nicht sehr geschmackvoll, dafür richtig teuer. Es sieht ganz danach aus, dass der Neubau einer Galerie der Gegenwart in der Bismarckstraße noch jede Menge Frustration erzeugen wird.

Wer ist da frustriert? Zum Beispiel Karl Rauber, als Noch-Kulturminister und Oberaufseher über die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz auch so etwas wie der oberste Bauherr. Obwohl es ihm eigentlich wesensfremd ist, schaute er lange tatenlos zu, stellte sich schützend vor Stiftungsvorstand Ralph Melcher, der es aber in nahezu allen Phasen des Neubauprojekts an Kompetenz und Klarheit mangeln ließ. Nun laufen die Kosten davon, sie könnten am Ende um fast 200 Prozent höher ausfallen als die ursprünglich kommunizierten 9 Millionen Euro.

Frustriert ist wohl auch Melcher selbst. Erstens wartet er auf seinen Untreueprozess, der viel mit dem Bauprojekt zu tun hat und für ihn sicher unangenehm werden dürfte. Zweitens hatte er sich wohl in zu vielen Punkten auf seinen treuen (und hochdotierten) Projektsteuerer Gerd Marx verlassen. Der nun wiederum ist vom Frust gepackt, weil ihn Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und kritische Fragen zu seinem Duzfreund und Auftraggeber Jürgen Schreier von der Arbeit abhalten. Schreier, als ehemaliger Kulturminister einer der Motoren des Projekts „4. Pavillon“, wird definitiv frustriert sein, bei Terminen immer wieder auf Leute zu treffen, die frühzeitig auf die Kosten und die ungünstigen Auswirkungen auf das Stadtbild hingewiesen hatten und dann mit herben Worten zu Ignoranten gestempelt wurden. Man beachte, dass inzwischen sogar die Saarbrücker Zeitung die architektonische Situation am Saarland-Museum als „städtebaulichen Sündenfall“ einschätzt.

Noch jemand mit Frust? Da wäre noch die Ex-Kulturministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die gerne im August Ministerpräsidentin werden würde und gar nicht glücklich darüber wäre, wenn neben dem anstehenden Verfassungsurteil zur Wahlanfechtung (Landtagswahl 2009) noch eine andere offene Baustelle ihren Start vermasselt. Wahrscheinlich stellt sie sich inzwischen auch die Frage, ob es richtig war, Melcher in ihrer Amtszeit eine 60-prozentige Gehaltserhöhung zu spendieren.

Der Neubau ist inzwischen im Rohbau fertig. Die Dimensionen sind sichtbar und machen deutlich, dass Einwände gegen die Höhe des Komplexes nicht ernst genug genommen wurden. In der Tat ducken sich die vorhandenen Teile des Saarland-Museums derart hinter diesem rohen Koloss, dass man an die viel beschworene reizvolle „Kulturmeile“ schon gar nicht mehr denken mag. Politisch wird uns das Thema noch begleiten: Es ist dringend notwendig, dass in den zuständigen Landtagsauschüssen für Kultur und für Finanzen noch ein paar Fragen zu den Verantwortlichkeiten gestellt werden. Die SPD-Abgeordnete Isolde Ries kann ihre Empörung kaum zurückhalten und spricht von einer „Steuergeld-Verbrennungsmaschine“ und von einer „Großmannssucht“ der beteiligten Personen, die sich jetzt räche. Der Rechnungshof ist noch am Ball. Und SPD-Finanzexperte Reinhold Jost sieht es so: „Da wird auf der einen Seiten bei den Schwächeren der Gesellschaft der Rotstift angesetzt, und auf der anderen Seite geben die Regierenden hemmungslos und verantwortungslos das Geld der Bürgerinnen und Bürger aus.“

So dass spätestens jetzt auch klar wird, dass der tiefste Frust über diesen verkorksten Museumsneubau auch sehr schnell die Steuerzahler erreichen wird.


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