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Tödlicher Ungehorsam - Willi Grafs Weg

Barbara Wackernagel-Jacobs im Gespräch mit Generalkonsul Philippe Cerf

| 27.5.10 | „Angelegenheit heute ohne Zwischenfall erledigt.“ – ein Telegramm von München in die Reichshauptstadt, Empfänger: der Volksgerichtshof. Datum: 12. Oktober 1943. Der lapidare Satz spiegelt die Unmenschlichkeit des ganzen Systems. Ein junger Mensch, der sich aus rationalen Gründen entschloss, auf das Irrationale des Regimes aufmerksam zu machen, war gerade unter dem Fallbeil gestorben, so wie Freisler es entschieden hatte. Keine große Angelegenheit für Berlin. Die Prozedur dauerte „vom Verlassen der Zelle an gerechnet 1 Minute 11 Sekunden“, wie das Protokoll vermerkt. Der junge Mensch war Willi Graf aus Saarbrücken. Er hatte in der Haft sechs Monate auf seinen Tod gewartet. Als Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ war der Student in den Augen ängstlicher starker Männer der NSDAP ein Verschwörer und Sicherheitsrisiko.
Mit dem Namen der Rose verbinden viele zuerst die Geschwister Scholl und Professor Huber, die in dem dokumentarischen Spielfilm „Die weiße Rose“ von Michael Verhoeven (1982) auf der Bühne ganz vorne stehen. Aber Willi Graf war ebenso aktiver Teil der Gruppe, mittendrin, und mühte sich offensiv, die Bewegung durch Filialen in Freiburg, im Rheinland und im Saarland auf eine breitere Basis zu stellen.
Durch Flugblätter („Verknechtung Europas durch den Nationalsozialismus“) und antifaschistische Graffiti („Hitler der Massenmörder“) setzte er sich mit anderen Mitstreitern bewusst dem Risiko von Verfolgung und Ermordung aus. „Willi Graf – Zivilcourage und Widerstand“ heißt daher völlig zu Recht ein Film, der diesmal die Rolle des Saarländers und seinen Weg zum Protest in die Mitte stellt. Tagebucheinträge, Briefe, Zeitzeugen. Eine dreiviertel Stunde Porträt, von Boris Penth (Buch und Regie) empathisch und eher leise in Szene gesetzt. Da gibt es kein Guido-Knopp-Getöse, das ist kein Heldengemälde, sondern zeigt ohne Arabesken, was an Widerstand möglich war. Wir haben nichts gewusst, wir konnten nichts tun! – wie jämmerlich wirkt das, wenn man sieht, wie diese Münchner Studenten an die Sache herangingen.

"Weitertragen, was wir begonnen haben"

„Vorgelebte Solidarität“ zeige der Film, so hieß es bei seiner Präsentation in Saarbrücken. Das mache ihn auch zu einem Dokument mit pädagogischer Dimension. Die Gesellschaft für staatsbürgerliche Bildung Saar hat – wie die Sparkasse Saarbrücken und der Saarländische Rundfunk – gutes Geld dazu gegeben. Von Willi Graf lernen - der Gedanke motivierte auch die Produzentin Barbara Wackernagel-Jacobs (carpe diem Film & TV Produktion). Dass die DVD im Unterricht gezeigt und besprochen wird, sagt sie, habe sich Anneliese Knoop-Graf ausdrücklich gewünscht, die letzten Sommer gestorbene Schwester. Ein Interview mit ihr, die in München dabei, wenn auch nicht in alles eingeweiht war, lässt im Film die Situation von damals und die Motivation des Bruders glaubhaft plastisch werden. Dessen Auftrag an sie: „Weitertragen, was wir begonnen haben.“ Ihn nahm Anneliese Knoop-Graf sehr ernst, sensibilisierte unermüdlich junge Menschen für die gemeinsame Verantwortung, Demokratie mitzugestalten.
Am 9. Oktober wird der Film in einer 30-Minuten-Fassung vom SR ausgestrahlt. So etwas müsse man einem viel breiteren Publikum anbieten, fand der französische Generakonsul Philippe Cerf bei dem Abend im Saarbrücker Rathausfestaal. Womit er mehr als Recht hat. Er könne sich den Film gut als Teil eines Themenabends bei „Arte“ vorstellen und werde sich in Straßburg dafür verwenden, versprach er.
Willi Graf, Jahrgang 1918, ist seit sieben Jahren Ehrenbürger der Landeshauptstadt. Wer zur Oberbürgermeisterin hinaufgeht, kommt auf der Treppe an der Bronzebüste vorbei, die Hans Schröder 2004 von ihm geschaffen hat. In der Trauerhalle des alten Friedhofs St. Johann gibt es heute eine Gedenkstätte – Informationstafeln, Zitate aus den Aufzeichnungen des Christen Willi Graf, der von tiefer Gläubigkeit her den Weg zum zivilen Ungehorsam fand. Dass dies ein mit Bedacht gewählter Weg war und welche Stationen er hatte – das vermittelt griffig die Graf-Biografie von Peter Goergen (Röhrig, 2009), deren Lektüre dann auch bei Regisseur Boris Penth den Stein ins Rollen brachte für einen ebenso sachlichen wie anrührenden Film.

Wolfgang Kerkhoff

Peter Goergen: Willi Graf - Ein Weg in den Widerstand

Kontakt bei der Landeshauptstadt: Werner Theis, Telefon 0681/905-1449, Mailkontakt


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